On fire trotz höchster Waldbrandwarnstufe!

Bild "Berichte:Ilmenau2019_200.jpg"Die Goethe- und Universitätsstadt Ilmenau liegt in Thüringen, etwa 33 Kilometer südwestlich der Landeshauptstadt Erfurt im Tal der Ilm am Nordrand des Thüringer Waldes. Das klingt soweit beschaulich. Doch einmal im Jahr fällt eine wilde Horde Mountainbiker in das beschauliche Städtchen ein und folgt dem Ruf des Ilmenauer Radsport Club e. V. zur traditionellen „Absoluten Abfahrt“. So auch dieses Jahr vom 19. bis 21. Juli 2019.

„In Ilmenau, da ist der Himmel blau, da tanzt der Ziegenbock mit seiner Frau“, so der im Volksmund bekannte Spruch der auf der Kessellage des Stadtgebietes und den geografischen Besonderheiten um Ilmenau herum beruht. Auch zur diesjährigen Ausgabe des Rennens sollte diese Phrase mit kleinen Ausnahmen das Wetter bestimmen.


Die Anreise von Dion und mir erfolgte am Donnerstagabend. Unser Fahrerlager war, wie immer, schnell aufgebaut und eine kurze Runde durchs Fahrerlager später lagen wir auch schon im Bett. Freitag hieß es ausschlafen, entspannt frühstücken und ab 12 Uhr aufbrechen zum Trackwalk.

Die Strecke in Ilmenau bietet auf ca. 1,5 Kilometern einen Höhenunterscheid von 220 Metern. Für Unwissende klingt das erstmal nicht sehr dramatisch aber Kenner wissen, dass es diese 1500 Meter in sich haben. Zu jeder Ausgabe legen sich die Streckenbauer ins Zeug und warteten auch dieses Jahr wieder mit einer technisch anspruchsvollen Strecke auf. Die absoluten knochentrockenen Bedingungen sollten dazu beitragen, dass sich der Anspruch weiter in die Höhe schraubt.

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Bild: Christian Heilwagen

Bereits in der ersten Hälfte der Strecke befanden sich zwei Road Gaps (Sprünge über Forstwege), welche durch teilweise hangabwärts führende Kurven auf losem Waldboden, sogenannte off-camber Kurven, miteinander verbunden waren. Im weiteren Verlauf fanden sich modifizierte Streckenteile der letzten Jahre von denen bereits bekannt war, dass sich hier die Spreu vom Weizen trennt. Nennenswert in diesem Zusammenhang ist auf jeden Fall das berühmt-berüchtigte Ilmenauer Steinfeld. Die Streckenbauer schwören Stein und Bein, dass keine Steine bewegt wurden sondern lediglich die Zwischenräume ausgekratzt wurden. Jedenfalls war der Anblick sehr imposant! Weiter durch die Fankurve welche sich zum Finale immer in einen Hexenkessel voller euphorischer Fans verwandelt in die sogenannten „Donauwellen“ die die Anfahrt zum dritten großen Road Gap bilden. Das letzte Drittel der Strecke ist vor allem durch lose Steine, losen Waldboden und viele Wurzelt geprägt.

Das Sprichwort „Das beste kommt zum Schluss“ kann auch in Ilmenau angewandt werden: Der Zieleinlauf liegt am Fuße des Aufsprunghangs einer ehemaligen Skisprungschanze. Da wo ehemals der Schanzentisch den Skifliegern Flügel verlieh steht mittlerweile ein Absprung für Mountainbiker. Flugweiten von 15 bis 20 Metern sind hier keine Seltenheit.

Trackwalk beendet. Kurz die Sonne geniessen und eine Kleinigkeit essen. Um 14 Uhr begann am Freitag dann das Training. Wir ließen uns etwas Zeit für und gingen so gegen 15 Uhr dann auf die Strecke. Für mich war erst einmal entscheidend ob mein Daumen hält. Diesen habe ich mir beim letzten Rennen vor einem Monat im tschechischen Klinovec so sehr lädiert, dass er nach wie vor von Zeit zu Zeit schmerzt. Daher bin ich den Freitag locker angegangen. Erstmal abrollen und gucken wie es läuft. Dion konnte das Rennen etwas „entspannter“ angehen und bereits am Freitag alle Sprünge abhaken und schon mal die Linien sortieren.

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Bild: Christian Heilwagen

Nach dem Training war klar, dass mein Daumen halten würde, sodass die Party am Freitag sehr klein ausfiel. Samstagmorgen wurde gefrühstückt und dann ging es wieder auf die Strecke und auch ich konnte meine Haken an fast alles Sprünge setzen. Lediglich das 2. und das 3. Road Gap machten mir das Leben schwer. Ich verbrachte lange Zeit an den Stellen und sah Dion hin und wieder mit Mach 1 an mir vorbeifliegen. Nach Linienstudium und anfahren war der Moment da: Durchatmen, durchatmen, losrollen, Fokus auf die Linie. Alles getroffen. Jetzt zweimal reintreten und abziehen! Zack war ich auch schon in zwei Metern Höhe über dem Forstweg und landete butterweich in der Landung und hatte meinen größten Punkt auf der Liste streichen könne. Beflügelt davon gleich ins Shuttle zum Start und nochmal runter. Aus der Fahrt heraus das zweite Road Gap kurz erledigt und ab dem Zeitpunkt war der Bann meines Daumens gebrochen. Ab jetzt war die Devise: Hämmern was das Zeug hält! Zum Ende des Trainings wusste man nicht mehr ob man auf einer Rennstrecke oder in der längsten Sandkiste der Welt ist. Es war zeitweise schwer einzuschätzen ob unter dem losen Pulver noch fester Boden war oder ob darunter das Ticket für eine Bruchlandung durch wegrutschen lauerte. Es waren einfach nur geile Bedingungen. Mittlerweile waren auch alle mitgereisten Supporter von uns an der Strecke.

Der Seeding Run stand an:
Ich startete um 16:40:30 Uhr in die 1,5 km lange Strecke den Lindenberg hinunter. Überall hing ein Staubschleier in der Luft welche die sowieso schon anstrengenden zwei bis zweieinhalb Minuten bis zur Ziellinie nochmal etwas unerträglicher machten. An einigen Stellen habe ich sehr viel Geschwindigkeit herausgenommen, um kein unnötiges Risiko einzugehen. Ein sauberer solider Run. Durch das gute Gefühl gepusht zog ich am Zielsprung nochmal motiviert ab und segelte ordentlich weit in den Zielhang. Die Uhr blieb am Ende bei 2:08.788 Minuten stehen was am Ende einen nicht allzu guten 47. Platz von 67 Startern bedeutete.

Um 16:57:00 Uhr löste Dion mit seinem Rad die Schranke am Start aus. Hinein in die Staubpiste und ordentlich am Gas. Sein Run verlief bis nach dem dritten Road Gap tadellos. Durch einen kleinen Rutscher kam er aus der Linie und musste hart abbremsen, um nicht aus der Strecke zu fliegen. Beinahe stehend musste er in einem sehr hohen Gang von neuem Antreten und ließ wertvolle Sekunden liegen. Die Lichtschranke im Ziel durchbrach er am Ende aber trotzdem nach einer Zeit von 2:01.914 Minuten. Am Ende Platz 21 und somit Punkte gesammelt.

Den Samstag haben wir dann im Ilmenauer Freibad ausklingen lassen. Ein kleiner Schauer und eine Mini Gewitterwolke sorgten für etwas Abkühlung mit Specialeffects aber an der allgemeinen Waldbrandwarnstufe konnte dies nichts ändern.

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Bild: Christian Heilwagen

Den Sonntag begannen wir mit einer gemeinsamen Abfahrt zum warm werden. Da wir beide jedoch unterschiedliche „Baustellen“ hatten trennten wir uns dann und jeder suchte seine Sekunden für das anstehende Finale zusammen.

Mein Daumen fühlte sich sehr gut an auch meine trainierte Linie saß. Nun alles auf eine Karte. Noch einmal alles beisammenhalten, die Linien treffen und nicht zu aufgeregt an die Sache gehen. Um 14:36:00 Uhr stand mein Countdown auf 0. Ich hörte wie die Schranke von meiner Startnummer aufgeschoben wurde und ab da nur noch Tunnelblick und Fokus auf die Fixpunkte um die Linien sauber zu treffen. Im ersten Drittel alles getroffen! Nach den Wellen im mittleren Teil war die Wegüberfahrt etwas rutschig, sodass ich leicht schief in die Landung der darauffolgenden Stufe kam. Kurze Schrecksekunde aber alles ging gut aus. Der Zeitverlust dadurch war nicht nennenswert. Gepusht durch den bisherigen Verlauf ließ ich weiter die Bremse offen. Die Strecke hatte sich mittlerweile in eine Partymeile verwandelt. Zwischenzeitlich hätte man, aufgrund der Streckenverhältnisse und der Stimmung, annehmen können man hätte sich auf eine Beachparty verirrt. Ein kühles Bad im zum Strand gehörigen Meer wäre bei der sengenden Hitze eine willkommene Abwechslung gewesen. Angepeitscht von den Zuschauern ging es weiter bergab. Die Linien passten und hier und da bin ich vielleicht etwas über dem Limit gefahren aber beim Einbiegen in die Gerade vor dem Abschlusssprung wusste ich, dass das ein brauchbarer Lauf war. Dann der Einflug in die Zielarea. Man segelt über den Absprung und hört die tobende Menge. Über die Linie und dann zusehen, dass man irgendwie anhält. Ich drehe mich um und sehe die Zeit von 2:06.262 Minuten auf der Uhr, aktueller dritter Platz und über 2 Sekunden schneller als im Seeding Run. Ab in den Hotseat und bereits da wird langsam deutlich, dass die Zeit etwas wert sein wird. Es dauert eine Weile bis ich den Hotseat verlassen muss und sich bekannte Namen hinter mir in der Ergebnisliste einreihen müssen.

14:49:00 Uhr läutet das Zeiteisen das Finale für Dion ein. Er hat seine Lines zum Finale noch einmal verfeinert. Werden die letzten Anpassungen das gewünschte Ergebnis haben? Er tritt los und lässt gut laufen und dreht ordentlich am Gas für die kommenden knapp 2 Minuten. Der „Ilmenauer Beachclub“ wird zu seinem Catwalk. Die Fehler aus dem Seeding Run lässt er im Finale einfach weg. Auch die kleine Kaffeepause im unteren Teil spart er sich. Ich stehe im Ziel und sehe wie die Uhr läuft. Der letzte Streckenposten steht dort wo einst der Schanzentisch war und ist daher für alle Zuschauer gut sichtbar. Wann nimmt er die Pfeife zum Mund? Die Pfeife geht zum Mund. Die Uhr ist noch unter 2 Minuten. Wird es eine Verbesserung sein? Dion kommt in den Zielhang geflogen und überquert die Ziellinie. Die Uhr bleibt bei 2:02.066 Sekunden stehen. Eine Zeit die kaum einen Wimpernschlag langsamer ist als seine Zeit aus dem Seeding Run.

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Bild: Christian Heilwagen

Aufgrund der Streckenverhältnisse schaffen es wenige Fahrer die Zeit aus dem Lauf am Vortag zu bestätigen oder zu unterbieten. Dion und mir gelingt dies und die Arbeit am Wochenende zahlt sich am Ende aus. Mit meiner Zeit habe ich einen sensationellen 27. Platz in der Elite Klasse erreicht und das mit nicht mal 10 Sekunden Rückstand auf den 1. Platz. Dion hat es sich auf einem unglaublichen 15 Platz bequem gemacht. Beide Resultate markieren die persönlichen bisherigen Bestleistungen von uns beiden. Wir können es kaum fassen und lassen unserer Freude freien Lauf.

Beschwingt durch das Ergebnis startet Dion nach dem Rennen in einen Roadtrip nach Italien zum nächsten Rennen in Pila über die diversen unterwegs Stationen. Ich gönne mir derweil etwas Ruhe und schone meinen Daumen der mir das Wochenende am Ende dann doch etwas krummnimmt.
Die nächsten Rennen sind am kommenden Wochenende das Rennen in Pila, welches Dion alleine bestreiten wird und dann vom 09.08. bis 11.08.2019 das DHC Rennen in Bad Tabarz.

Bis dahin!

Cheers Adrian